Die Gemeinde Bodensee hat zum Entwurf des Teilplans Windenergie 2024 des Landkreises Göttingen eine Stellungnahme abgegeben:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,
als Träger öffentlicher Belange nimmt die Gemeinde Bodensee zu dem Entwurf des „Teilplans Windenergie“ wie folgt Stellung:
Bereits in unserer Stellungnahme zum Entwurf des Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) 2020 vom 29. April 2021 hat die Gemeinde Bodensee zu Ziffer 4.2 (Energie) ihre ablehnende Haltung zum Ausdruck gebracht. Inwieweit die von uns damals vorgebrachten Vorbehalte in die neue Planung eingeflossen sein sollen (siehe 3.2 S. 15 ff. der Begründung des Teilplans), ist nicht erkennbar. Der von uns damals benannte Verweis zu 3.1.1 des Entwurfs zum RROP 2020 zum Grundsatz „Kulturlandschaften sind so zu erhalten und zu pflegen“, dass u.a. „prägende Landschaftsstrukturen, historische Freiräume, Blickbeziehungen, Silhouet-ten einschließlich ihrer Umgebung dauerhaft erhalten bleiben“, taucht erkennbar überhaupt nicht auf.

Im Anhang A der Begründung „Gebietsblätter Windenergie“ des nun vorliegenden „Teilplans Windenergie“ sind die Auswirkungen auf das Landschaftsbild beschrieben und bewertet worden (vgl. S. 208 ff.) Die Landschaft sei „im zentralen Bereich auch durch den bestehenden Windpark geprägt.“ Zwar wird deutlich gemacht, dass bei Berücksichtigung aller Potentialflächen eine deutliche zusätzliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes die Folge wäre (als Zersplitterung auf zahlreiche Teilflächen). Bei einer entsprechenden Verkleinerung des Potentialflächenkomplexes (PFK) sei dies aber nur mit geringen zusätzlichen Belastungen verbunden. Auf welchen Faktoren diese Schlussfolgerung basiert, ist nicht dargelegt und so nicht nachvollziehbar.

Die zusammenfassende umweltfachliche Beurteilung benennt die teils schwerwiegenden Konflikte mit den Schutzgütern „Mensch, menschliche Gesundheit, Tiere, Pflanzen, biologische Vielfalt, Landschaft und Kulturgüter“. Daraus folgt die Verkleinerung des PFK mit der woher auch immer gezogenen Schlussfolgerung, dass die Beeinträchtigungsintensität auf ein zumeist, in jedem Fall aber zumutbares Maße reduziert sei.
Bei der Beurteilung des Repoweringpotentials wird noch die zweifache Höhe der Referenzanlage um jede Bestandsanlage zugrunde gelegt. Nach Beschluss des Deutschen Bundestages vom 06. Juni 2024 „zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz, zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren und zur Umsetzung von EU-Recht“ erhöht sich der Wert auf das fünffache der Referenzanlage. Da nach der Beurteilung realistisch nur die vier ältesten Anlagen mit einer Nabenhöhe unter 100 m in Frage kommen, erhöht sich hier das Konfliktpotential deutlich. Sie stehen u.a. in deutlicher Nähe zur Gemeinde Bodensee (auch außerhalb des Bereichs des Flächennutzungsplanes „Windenergie“ der Samtgemeinde Gieboldehausen). Durch die Ausweitung des Radius (vom zweifachen auf das fünffache), könnten sie noch näher an Bodensee heranrücken, zumal sie dann auch noch eine deutlich höhere Nabenhöhe haben wür-den. Bereits bei der bisher geltenden Regelung (zweifache Höhe) wird die raumordnerische Bewertung des PFK grundsätzlich als konfliktarm angesehen. Insbesondere wird darauf abgestellt, dass sich die „geplante Festlegung auf den bereits mit Windenergieanlagen bebauten Teil der PFK konzentriert und somit nur sehr be-dingt zusätzliche Auswirkungen auf die vorhandenen Festlegungen auslösen werden.“ Dass die Folgen der neuen Regelungen nur bedingt zusätzliche Auswirkungen haben sollen, ist für uns nicht stimmig. Wenn der ausbaubare Bereich für das Repowering deutlich erhöht wird, hat das zusätzliche Auswirkungen: die Anlagen können näher an die Gemeinde heranrücken und werden deutlich höher als bestehenden Anlagen sein. Insofern teilen wir die Konfliktanalyse unter 4.2.3 der Begründung zum Teilplan nicht.
Die Auswirkungen auf die Bevölkerung / Gesundheit des Menschen (Überschreiten von gesetzlichen Grenzwerten) werden aufgrund der eingehaltenen Vorsorgeabstände des Planungskonzeptes sowohl für Schall- als auch für Schattenimmissionen sicher ausgeschlossen. Inwieweit das für die repowerfähigen Anlagen zutrifft, bleibt Angesichts der gerade beschriebenen Möglichkeiten unklar. Außerdem wird nicht berücksichtigt, dass durch weitere Windkraftanlagen (WEA) die Schallimmissionen steigen werden, wenn z.B. alle Anlagen gleichzeitig in Betrieb sind. Hinsicht der Schattenwurfimmissionen wird nicht darauf eingegangen, welche Folgen die geplante Festlegung der Rotor-out-Regelung für die Menschen in der Gemeinde Bodensee mit möglichen Höhen einer Windkraftanlage von bis zu 240m (inkl. Rotorblätter) haben können.
Keine Beachtung finden die Auswirkungen der Nachtkennzeichnung der Anlagen. Bereits bei Errichtung der vorhandenen Anlagen wurde eine Abschaltung der Nachtkennzeichnung zugesichert. Das ist bis heute nicht geschehen. Weitere Anlagen auf den erweiterten Flächen erhöhen das Störpotential erheblich.

Die Umfassung mag durch den Zuschnitt der PFK den rechtlichen Regelungen entsprechen. Nicht in Betracht gezogen ist dabei, welche Flächen der Landkreis Northeim beabsichtigt auszuweisen. Nach unseren Informationen soll dies u.a. im Bereich Gillersheim und Lindau (Nähe Bilshausen) geschehen. Hier muss eine interkommunale Abstimmung zwischen den planenden Landkreisen erfolgen.
Quelle: Entwurf „Neuaufstellung des RROP für den Landkreis Northeim“ (Stand 08/2023)
Der Landkreis Northeim geht 2023 bei seinen Planungen und der Beurteilung insbesondere der Potentialfläche Gillersheim, vom Planungsstand des Landkreises des RROP Landkreis Göttingen 2020 aus. Bei dem vorgeliegenden Entwurf „Teilplan Windenergie“ wird seitens des Landkreises Göttingen dieser Belang nicht erwähnt.

Die artenschutzrechtliche Risikoabschätzung (Auswirkungen auf den besonderen Artenschutz) lässt an die-ser Stelle u. M. nach außer Acht, dass sich Teile der Flächen in unmittelbarer Nähe zum Landschaftsschutzgebiet „Untereichsfeld“ befinden. Es dient dem Schutz des „EU-Vogelschutzgebietes V19 _Unteres Eichsfeld“:
Quelle: https://www.nlwkn.niedersachsen.de/natura2000/schutzgebiete_zur_umsetzung_von_natura_2000/land-schaftsschutzgebiet-untereichsfeld-109606.html

In der geltenden Verordnung des Landkreises vom 11. Mai 2005 sowie in der geänderten Fassung aus dem Jahr 2008 wird als Ziel u.a. festgelegt
„…,die Habitate der nachfolgend genannten wertbestimmenden Brutvogelarten gem. Anhang I der EG-Vo-gelschutzrichtlinie zu erhalten oder wiederherzustellen:
• Rotmilan (Milvus milvus),
• Wanderfalke (Falco peregrinus),
• Mittelspecht (Dendrocopos medius).
Zu Gunsten dieser Vogelarten soll die wellige, strukturreiche, halboffene Kulturlandschaft mit altholzreichen, insbesondere alteichenreichen Laubwäldern, Felsbiotopen und Feldgehölzen als Lebensraum erhalten werden, sollen störungsfreie Nisthabitate und störungsfreie Nahrungsräume im Offenland bewahrt und eine extensive Landwirtschaft (insbesondere in Gebieten mit Hackfrucht- und Getreideanbau) als Nahrungsgrundlage (Kleinsäugervorkommen) gefördert werden (§ 3 Abs. 2).“

Diesem Anspruch wird der Entwurf nicht gerecht. Er ignoriert die Anforderung „störungsfreie Nahrungsräume im Offenland“ zu bewahren, sondern plant gegenteilig.
Für den Milan stellt lt. Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz das Vogelschutz-gebiet „einen repräsentativen Ausschnitt des niedersächsischen Kernvorkommens dar.
Die Art brütet hier in hoher Siedlungsdichte und nutzt dazu bevorzugt die lichten Laubwälder sowie die Feldgehölze des Gebietes. Die angrenzende Offen- und Halboffenlandschaft dient dem Rotmilan als Nah-rungsraum für die Jagd nach Kleinsäugern und Vögeln.“
(https://www.nlwkn.niedersachsen.de/eu-vogel-schutzgebiete/eu-vogelschutzgebiet-v19-unteres-eichsfeld-132565.html#Sicherung ).
Die Auswirkungen auf das Landschaftsschutzgebiet wollen offenbar mit dem Argument verfangen, „die festgelegten VR WEN (Vorranggebiete Windenergie) auf möglichst konfliktarme und weniger empfindliche Bereiche zu lenken. Eine vollständige Vermeidung voraussichtlich erheblicher Umweltauswirkungen ist jedoch weder möglich, noch gefordert“ (4.3.2.2 Begründung zum Teilplan, S. 67). Das nun aber gerade in Richtung Wollbrandshausen Flächen aufgenommen werden, die Teil des Landschaftsschutzgebietes sind (zumindest aber unmittelbar an sie angrenzen), ist gleichwohl unverständlich. Der Umkehrschluss, da ja nun nicht der gesamte PFK als Vorranggebiet festgelegt würde, seien die zusätzlichen negativen Umweltauswirkungen für das Landschaftsbild reduziert bzw. vermieden, ist nicht belastbar. Angemessener ist es, wenn bereits bestehenden Einschränkungen nicht noch ausgeweitet werden. Das sollte für den Landkreis als untere Naturschutzbehörde höchste Priorität haben.

Gleiches lässt sich zu der Argumentation zu den „Auswirkungen auf das Landschaftsbild“ und die „Auswirkungen auf Bau- und Kulturdenkmäler mit Umgebungsschutz“ sagen und soll nicht wiederholt werden. Insgesamt entsteht der Eindruck, dass es gerade planerisch positiv sei, dass so zusagen die Ränder und Ausläufer der PFK aus der Planung herausgenommen werden, da „indes nur mit geringen zusätzlichen Beeinträchtigungen zu rechnen“ sei. Das lässt an dieser Stelle auch unberücksichtigt, welche Folgen mit der Rotor-out-Regelung für das Vorranggebiet verbunden sind.

Die Auswirkungen auf schutzwürdige Böden sind unserer Meinung nach falsch bewertet. Die Versiegelung, die für die Fundamente einer WEA erforderlich wird, sei vergleichswese gering. Worauf bezieht sich dieser Vergleich? Ist schon bekannt, welche Dimensionen eine WEA haben wird? Wurde schon berechnet, wieviel Windkraftanlagen auf den Flächen baubar sein werden? Da uns diese Informationen nicht vorliegen, haben wir uns die Dimensionen der Windkraftanlage E-126 an-geschaut. Hier wird von einem Durchmesser des Fundaments von 20 – 30 Meter und einer Tiefe von bis zu 4 Metern ausgegangen. Für das Fundament könnte das bis zu 500 qm Vollversiegelung bedeuten. Die notwendige Eingriffsfläche ist dabei noch nicht einbezogen.

Quelle: https://www.windpark-vechigen.ch/fakten/windrad-technik/
Außerdem müssen für die Wartungsarbeiten an den Windkraftanlagen feste Zuwegungen eingerichtet werden, um sie mit Wartungsfahrzeugen zu erreichen. Und bereits beim Bau einer Anlage ist eine besondere verkehrstechnische Infrastruktur erforderlich, damit z.B. die Rotoren an Ort und Stelle gebracht und durch Spezialfahrzeuge montiert werden können. Diese Gesichtspunkte sind in dem Entwurf nicht hinreichend gewürdigt worden.

Bei der Beurteilung des Potentialflächenkomplexes „Gieboldehausen (Höherberg) – PFK 29 vermisst die Gemeinde Bodensee die Prüfung des abwägungsrelevanten Einzelbelanges der „Windhöffigkeit“ im Zusammenhang mit der Raumverträglichkeit. Der wird für die Flächen des geltenden Flächennutzungsplans grundsätzlich nicht in Zweifel gezogen. Inwieweit dies aber für die Potentialflächen und das geplante Vorranggebiet zutrifft, ist nicht dargestellt. Ebenso fehlen vergleichbare Werte für andere Potentialflächenkomplexe im Kreisgebiet.

Insgesamt besteht in der Gemeinde Bodensee der Eindruck, dass durch den geltenden Flächennutzungsplan der Samtgemeinde Gieboldehausen für Windenergieanlagen sowie durch Einzelbaugenehmigungen auf dem Höherberg der Ansatz besteht, gerade in diesem Bereich weitere Flächen auszuweisen. Die raumordnerische Letztentscheidung (S. 196 ff.) benennt zwar insbesondere für das Schutzgut Landschaft erhebliche Beeinträchtigungen durch die Erweiterung des bestehenden Windparks, welche jedoch aufgrund der Vorbelastung und der Konzentration auf den vorbelasteten Raum von geringer bis (aufgrund der Fernsichtigkeit der Anlage?) von maximal mittlerer Intensität seien.
Das ist nicht stichhaltig und verifiziert dargelegt. Die bestehenden und akzeptierten Belastungen durch die zwölf existierenden Windkraftanlagen würden sich deutlich erhöhen. Die von weiteren Anlagen ausgehenden Geräusche würden sich zwangsläufig erhöhen und damit auch die damit verbundenen Gefährdungen, z.B. für die Gesundheit.
Die Konzentration auf dieses Gebiet verändert das Landschaftsbild nachhaltig. Diese Festlegung stünde wie eingangs beschrieben, im deutlichen Widerspruch zum im Entwurf des RROP 2020 geplanten Grundsatz, „Kulturlandschaften sind so zu erhalten und zu pflegen“, dass u.a. „prägende Landschaftsstrukturen, historische Freiräume, Blickbeziehungen, Silhouetten einschließlich ihrer Umgebung dauerhaft erhalten bleiben“. Der Begriff der Konzentration, ist darüber hinaus irreführend. Die durch den Flächennutzungsplan bereits ausgewiesene Fläche (237 ha) würde durch den vorliegenden Entwurf nahezu verdoppelt und sich in den räumlichen Dimensionen deutlich ausweiten.

Dieser Umstand wirft noch einen ganz anderen Blick auf den „Teilplan Windenergie“. Wie sind die mit der Planung verbundenen Lasten im Landkreis verteilt? Die Begründung des Teilplans weist insgesamt 23 Vorranggebiete mit einer Gesamtflächengröße von 1.994,3 ha aus. Allein das Vorranggebiet „14 Gieboldehausen (Höherberg)“ soll 402.5 ha umfassen. Das entspricht einem Anteil von 20,18% bei einem Flächenanteilder Samtgemeinde Gieboldehausen von rd. 6% an der Gesamtfläche des Landkreises. Bereits die schon aus-gewiesene Fläche durch den Flächennutzungsplan hat einen Anteil von 11,88%.

Die Gemeinde Bodensee sieht in der vorgelegten Planung und den damit erwartbaren Folgewirkungen, den übergeordneten „Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“ (Übermaßverbot) nicht gewahrt. Wir sehen in den im Entwurf beschriebenen Konfliktbewertungen, den schonenden Ausgleich der bestehenden Interessen und Freiheiten nicht gewährleistet.

Annehmbar ist aus unserer Sicht, als Vorranggebiet „14 Gieboldehausen (Höherberg)“, die Flächen des geltenden Flächennutzungsplans (237 ha) der Samtgemeinde Gieboldehausen auszuweisen. Auch in einem solchen Zuschnitt liegt noch Potential zu Errichtung weiterer Windkraftanlagen. Hier ist die notwendige Infrastruktur in weiten Teilen grundsätzlich gegeben. Die damit verbundenen Veränderungen und Einschränkungen wären hinnehmbar und akzeptabel.

Mit freundlichem Gruß

Faulwasser
(Bürgermeister)

 

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